Hinter
einer der schönsten Ortsilhouetten entlang des Mains öffnet
sich dem Karlstadtbesucher eine fränkische Stadt von
besonderem Reiz. Die behutsame, aber durchgreifende
Erneuerung der um 1200 "vom Reißbrett" gegründete
Altstadt macht diese nicht nur zu einem Wallfahrtsort für
Stadtsanierer, sondern erschließt jedem Gast ein
einmaliges, geschichtsträchtiges Bauensemble. Nahezu
unverändert hat sich hier der Ortskern einer
stauferzeitlichen Stadt erhalten, deren Glanzpunkte die
romanisch-gotische Stadtpfarrkirche, das Rathaus von 1422,
die Tore und Türme der Stadtbefestigung und die behäbigen
Bürgerhäuser mit ihren oft aufwendigen Fachwerkfassaden
bilden. Eingewoben in einem Kreis von Sagen und Legenden
aus den Anfängen würzburgisch-fränkischer Geschichte,
überragt die Ruine der Karlsburg jenseits des Mains das
Auf und Ab der gestaffelten Giebel.
In den letzten Tagen schlug das kühle
Regenwetter in einen fantastischen Altweibersommer um.
Der Wetterbericht sagt uns noch für zwei Tage
anhaltendes schönes Wetter voraus. Von Karlstadt bis zum
Mainspitzdreieck auf dem Maintalweg sind es noch gute
drei Tagesetappen. Wir treffen die Entscheidung abzukürzen
und die Mainschleife zwischen Lohr am Main und
Aschaffenburg nicht zu fahren, um insgesamt 70 Kilometer
zu sparen und somit einen Tag früher in Mainz anzukommen
Von Karlstadt geht es nun über Gemünden nach Lohr am
Main. Etwas schweren Herzens verlassen wir den Maintalweg
und fahren auf der B26 in Richtung Aschaffenburg weiter.
Hinter Lohr geht es erst mal so richtig über 15km den
Spessart hinauf, teilweise schieben wir unsere Räder.
Nur was hinauf geht, geht auf der anderen Seite wieder
hinunter. Erst oben auf dem Scheitelpunkt angekommen
laufen die Radl bis nach Aschaffenburg fast von alleine.
Der Verkehr auf der Bundesstraße hält sich in Grenzen,
dies mag wohl daran liegen, dass Lkw bergauf und bergab,
bedingt durch die starke Steigung eine gedrosselte
Geschwindigkeit fahren müssen.
Nach 5 Stunden Fahrzeit und 88,2 Kilometern
erreichen wir den CPL "Am See Freigericht Ost"
Kahl am Main. Die erste bis heute bekannte urkundliche
Erwähnung Kahls führt ins Jahr 1282 zurück. In diesem
in lateinischer Sprache verfassten Dokument aus Pergament
wird Kahl als "Calde" bezeichnet. Dieser Name
entwickelte sich im Althochdeutschen aus der frühesten
Ortsbezeichnung "Kaldaha". Das bedeutet soviel
wie "Ort am kalten Wasser" (aha = Wasser). Nach
bisherigen Geschichtskenntnissen erfolgte die Ortsgründung
um 800 n. Chr. Neueste Grabungen im nordöstlichen
Gemarkungsbereich zeugen jedoch davon, dass es bereits
auch zu früheren Zeiten Besiedlungen gab.
Um die Jahrhundertwende stieß man bei
Probebohrungen auf riesige Braunkohle-Vorkommen, die aus
dem einfachen Dorf eine große, florierende Gemeinde
machten. Als 1932 die abbaufähigen Kohlevorräte erschöpft
waren, bedeutete dies das Ende der Kahler Braunkohle-Ära.
Ein Teil der Tagebauten blieb offen, und die Abbaugruben
füllten sich allmählich mit Wasser. Einige Jahrzehnte
wurde hier noch Sand und Kies abgebaut. Heute bilden die
ehemaligen Gruben eine Vielzahl von Seen, die als die
"Kahler Seenplatte" weithin bekannt sind. Für
unsere Radtour bedeutete dies, dass wir am 11.10.01 die
Badesaison in Kahl beendet haben. Und wieder die Fragen
der Wohnwagen- und Wohnmobilbesitzer. Ist es nicht zu
kalt zum Zelten? Ist es vor allem nicht zu kalt zum Baden? |